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von Michael Winkler, Gastautor von Euro am Sonntag
Geschichte wiederholt sich nicht", lautet ein geflügeltes Wort. Gilt das tatsächlich auch in der aktuellen Situation an den Aktienmärkten? Die hohen Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) vieler Leitindizes sind auf den ersten Blick tatsächlich nur schwer in Einklang zu bringen mit der Corona-geplagten konjunkturellen Großwetterlage. Droht also ein neuerlicher Absturz? Richtig ist: Nach dem Crash im Frühjahr hat eine unerwartete Aktienrally eingesetzt. Im Ergebnis lag das Kurs-Gewinn-Verhältnis des Nasdaq 100 Anfang September bei 32 - Anfang März waren es noch 18 gewesen. Andere Leitindizes wie der S & P 500 oder der Stoxx 600 wiesen ebenfalls starke Anstiege auf. Da stellt sich fast zwangsläufig die Frage: Kann das gut gehen?
Auf KBV, Bilanz und Marktstellung achten
Man muss zwar in der Tat schon in die Hochzeit des Neuen Markts in das Frühjahr 2000 zurückgehen, um ähnlich hohe KGV-Bewertungen zu finden. Aber die Unterschiede zu damals überwiegen. So werden die Märkte heute im Gegensatz zu damals von den Notenbanken mit Liquidität regelrecht geflutet, und der Zins ist de facto abgeschafft worden. Das für Aktieninvestitionen notwendige Kapital wird dadurch voraussichtlich auf unabsehbare Zeit quasi zum Nulltarif zu haben sein. Da renditeträchtige Anlagen zudem rar gesät sind, bleiben Aktien attraktiv.
Hinzu kommt: Während im Jahr 2000 die blanke, häufig faktenbefreite Euphorie herrschte, sind gerade bei den großen Technologiewerten die starken Kursanstiege seit März keineswegs von der fundamentalen Unternehmensentwicklung abgekoppelte Fantasiewerte. Diese Unternehmen verdienen Milliarden, haben eine marktbeherrschende Stellung und sind extrem profitabel. Sie gehören eindeutig zu den ökonomischen Gewinnern der Krise.
Bestimmte Kursrücksetzer in den globalen Indizes, so wie sie sich gerade im Lauf des Septembers vollzogen haben, sind dennoch jederzeit möglich. Im historischen Vergleich fallen sie allerdings moderat aus und ändern nichts am mittelfristigen Aufwärtstrend. Dieser Trend ist weiterhin intakt, auch deshalb, weil Anleger darauf vertrauen (können), dass die Staaten und Notenbanken erneut eingreifen würden, sollte sich die ökonomische Gesamtlage noch einmal signifikant eintrüben. Klar ist aber auch: Die Zeit weiterer exorbitanter Bewertungsanstiege ist erst einmal vorbei, das Kurspotenzial begrenzt.
Für eine optimale Orientierung empfiehlt es sich dabei insbesondere, eine Fixierung ausschließlich auf die Kenngröße KGV zu vermeiden. So liefert das in der öffentlichen Wahrnehmung häufig im Schatten des KGV stehende Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) wertvolle Einordnungen. Denn gemessen am KBV befinden sich nämlich derzeit nur die US-amerikanischen Indizes auf historischen Höchstständen, nicht aber zum Beispiel die europäischen. Diese bewegen sich nach wie vor eher auf dem Niveau der vergangenen Jahre. Denn der Buchwert eines Unternehmens in der Bilanz bleibt in einer Rezession wie der aktuellen naturgemäß stabiler als der Unternehmensgewinn.
Weitere relevante Kenngrößen sind eine ausgesprochen gute Marktstellung sowie eine starke Bilanz. An dieser Stelle wiederholt sich Geschichte dann doch, denn diese Kennzahlen hatten auch in der Vergangenheit schon immer eine große Bedeutung.
Michael Winkler:
Leiter Anlagestrategie St. Galler Kantonalbank
Michael Winkler, 1966 in Frankfurt am Main geboren, ist seit März 2013 CIO/Leiter der Anlagestrategie der St. Galler Kantonalbank Deutschland AG. Vorher war er viele Jahre als Portfoliomanager bei bekannten Adressen wie Cominvest (2000-2004) und Deka (2011) tätig. Zusätzlich war er bei der Postbank in der Treasury für die Allokation von Eigenanlagen der Bank zuständig (2004-2011).
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